Headerbild Lukas Gerges, Südtirols Sommelier des Jahres
12.06.2024

Welcher Wein zu welchem Essen?

Nachgefragt bei… Lukas Gerges, Südtirols Sommelier des Jahres

Welcher Wein zu welchem Essen? Kaum eine Frage macht Gastgeber derart nervös wie jene nach der Weinanpassung, auch wenn Lukas Gerges sagt: „Man sollte das Ganze nicht zu ernst nehmen und sich nicht verrückt machen lassen. Mit einem guten Wein kann man kaum etwas falsch machen.“ Gerges muss es wissen: Er ist Weinakademiker und für Gault&Millau Südtirols Gastgeber und Sommelier des Jahres.

Als Osttiroler ist Lukas Gerges nicht gerade mitten in Weinbergen aufgewachsen und doch hat er den Wein zum Beruf gemacht. In Norbert Niederkoflers Atelier Moessmer in Bruneck ist er Chef-Sommelier. „Sein Wissen und sein sprachliches Talent scheinen unbegrenzt zu sein“, urteilt Gault&Millau, Gerges sei eine „große Wein-Koryphäe“. Kurz: Er ist der Richtige, wenn es um einen kurzen Wein-Guide geht, also darum, um alles zu erfahren, was Weinlaien über die Frage wissen müssen, welcher Wein zu welchem Essen passt.

Herr Gerges, Wein und Essen kombinieren, heißt, ein Henne-und-Ei-Problem zu lösen. Passt man den Wein dem Gericht an oder das Gericht dem Wein?
Lukas Gerges: Hier kommt es vor allem auf Gäste oder Anlass an. Wenn eine Gruppe Weinfreaks zu Besuch kommt, ist das Essen fast schon egal. (lacht) Sonst, also bei „normalen“ Menschen, wird man eher den Wein zum Essen wählen.

Im Restaurant steht ein gut sortierter Weinkeller bereit. Wie kommt man zuhause mit einem kleinen Sortiment zurecht? Gibt es Alleskönnerweine, wenn es um die Weinbegleitung geht?
Gerges: Für mich sind das Schaumwein, Riesling und Pinot Noir. Mit Schaumwein kann man eigentlich ein ganzes Menü begleiten. Ein knackiger Riesling passt auch zu fast allem: zu frischem, aber auch zu kräftigem bzw. fettigem Essen als Kontrast, der den Gaumen auffrischt und reinigt. Pinot Noir kann mit Fleisch von Schwein bis Rind, leicht gekühlt auch mit Vorspeisen, Fisch und oft sogar mit Desserts, wenn Schokolade oder rotfruchtige, nicht zu süße Desserts im Spiel sind. Übrigens ist auch Weißburgunder ein kleiner Alleskönner und sollte im Kühlschrank bereitstehen.

Darf man bei der Frage „Welcher Wein zu welchem Essen?“ in Kategorien denken? Also: Welcher Wein passt zu Fisch oder welcher Wein passt zu Fleisch? Und welcher Wein als Aperitif?
Gerges: Natürlich gibt es Standards, ein Sekt als Aperitif, Weißwein zu Fisch und Rotwein zu Fleisch wird kaum ein Fehler sein. Heute werden die Regeln aber auch oft gebrochen. So kann ein gekühlter Vernatsch zum Fisch oder ein kräftiger, im Holz ausgebauter Weißwein zu hellem Fleisch wie Kalbsfleisch oft spannender sein. Und ein konzentrierter Süßwein kann besser zu einem Blauschimmelkäse als zu einem Dessert passen.

Es ist also Zeit, ein paar Weisheiten zu Wein und Speisen zu hinterfragen, wenn Sie Rotwein zu Fisch und Sekt zu einem ganzen Menü empfehlen …
Gerges:
Wie schon gesagt: Ein gekühlter Rotwein kann sehr gut zu Fisch passen, es ist nur auf das Tannin, also Gerbstoffe zu achten. Zu viel Tannin funktioniert selten mit Fisch – also besser kein Lagrein zur Forelle. Bei Meeresfrüchten bleibe ich beim Weißwein. Oder bei Schaumwein, der weit mehr kann, als nur als Aperitif serviert zu werden. Es gibt bei uns viele Gäste, die zum ganzen Menü eine Flasche Sekt trinken. Mit seiner straffen Säure frischt er auf, reinigt den Gaumen und macht Lust auf mehr.

Darf man also experimentieren? Solange man im Südtiroler DOC-Sortiment bleibt, versteht sich …
Gerges:
Natürlich! Ich bin hier sowieso anders. Für mich ist Wein da, um Spaß zu haben und nicht versteift das perfekte Pairing zu suchen. Lieber trinke ich einen Wein, der mir sehr gut gefällt, der aber nicht perfekt zum Essen passt, als ein perfektes Pairing zu haben, dafür aber den ganzen Abend einen Wein zu trinken, der mich langweilt.

Weil der Sommer vor der Tür steht: Welche Antwort gibt der Profi allen Grill-Enthusiasten auf die Frage, welcher Wein zum Grillen?
Gerges:
Hier steht die Geselligkeit im Vordergrund, es geht darum, Spaß zu haben. Riesenweine zu öffnen, ist daher unsinnig, gefragt sind kühle Weine, die auffrischen: frische, knackige Weißweine oder elegante Rote wie ein Vernatsch oder Blauburgunder, die man auch einmal ins Eis stellen darf. Oder auch ein saftiger Rosè.

Erlauben Sie uns noch einen Blick in den Weinkeller und die Frage, wann welche Weine zu trinken sind. Wie lange halten Weine?
Gerges:
Um gleich mit einem Mythos aufzuräumen: Es stimmt nicht, dass ein Wein umso besser ist, je älter er ist. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall. Da hat sich in den letzten Jahren in der Weinbereitung sehr viel geändert. Früher haben viele Weine sehr viel Zeit in der Flasche gebraucht, bis man sie mit Vergnügen trinken konnte. Heute produzieren die Winzer dagegen meist Weine, die man jung schon sehr gut trinken kann.

Welchen Wein kann und soll man also in den Keller legen?
Gerges:
Das kann man leider nicht verallgemeinern. Eines ist aber essenziell: Man muss einen guten Keller haben. Sonnenlicht, Wärme oder ein zu trockener Keller töten auch den besten und teuersten Wein. Dagegen wird auch ein günstiger Wein einige Jahre in einem kühlen, feuchten und dunklen Raum ohne Probleme reifen.

Zum Abschluss noch eine freche Frage: Sie dürfen nur noch einen Wein trinken, egal, was auf den Tisch kommt. Für welche Rebsorte entscheiden Sie sich?
Gerges:
Hmm, schwierig. Ich denke aber, wenn ich entscheiden müsste, wäre es Pinot Noir. Hoffentlich muss ich diese Entscheidung aber nie treffen!
Lukas Gerges, Südtirols Sommelier des Jahres
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