Jahrgang 2023 - Südtirol Wein

Jahrgang 2023

Große Herausforderungen, große Weine

Trotz witterungsbedingter Herausforderungen kräftige Rote und fruchtige Weiße

Der Jahrgang 2023 scheint in Südtirol eine Wein-Weisheit zu bestätigen: Jahre mit großen Herausforderungen bringen große Weine. Während das Jahr im Weinberg nämlich mehr als nur fordernd war, erwarten sich die Kellermeister Rebsorten-übergreifend kräftige, farbintensive Rotweine mit guter Frucht und im Vergleich zu den letzten Jahren frischere, fruchtigere Weißweine.
Das Wetter hat es im vergangenen Jahr mit den Südtiroler Weinbauern nicht immer gut gemeint: mit trockenen ersten Monaten, einem kühlen, nassen Frühling, Hitze im Hochsommer und feuchter Witterung zu Erntebeginn. „Für die Bauern war es ein Jahr mit enormem Aufwand“, sagt Gerhard Kofler, Kellermeister der Kellerei Girlan. Gerade Niederschlag zu ungünstigen Zeitpunkten und ein starkes Wachstum hätten den Bauern alles abverlangt, auch habe das Lesegut sauber aussortiert werden müssen. „Die Südtiroler Weinbauern haben aber viel Erfahrung mit widrigen Bedingungen, sie wissen, was zu tun ist, und bringen den nötigen Fleiß mit“, so Kofler. „Deshalb werden gerade in solchen Jahren die qualitativen Unterschiede aufgezeigt.“

Dass man trotz aller Herausforderungen im Weinberg ein gutes Ergebnis einfahren konnte, schreibt Stephan Filippi, Kellermeister der Kellerei Bozen und Präsident von Assoenologi in Südtirol, auch einem Südtiroler Spezifikum zu. „Wir haben den Vorteil, dass unsere Bauern eine Passion für den Wein entwickelt haben und entsprechend zu Werke gehen“, so Filippi, der darüber hinaus auf ein gut funktionierendes Netz von Organisationen verweist, die den Bauern beratend und unterstützend zur Seite stünden.

Glück mit warmen Herbsttagen
In Sachen Witterung hebt Filippi allerdings auch einen positiven Umstand für den Jahrgang 2023 hervor. „Die ungewöhnlich hohen Temperaturen nach Beginn der Ernte waren vor allem für später reifende Sorten und Lagen ein absoluter Glücksfall“, so der Bozner Kellermeister. „Sie haben die Ernte im Positiven beeinflusst, die Qualität ist noch einmal gestiegen, weil die Trauben vollreif geerntet werden konnten.“ Gerade die Südtiroler Rotweine des Jahrgangs 2023 spiegelten dies wider: kräftig, farbintensiv, mit guter Frucht und voll ausgereiften Tanninen. „Bei den Rotweinen ist der 2023er ein großer Jahrgang mit sehr eleganten Weinen“, so Filippi.

Auch bei den Weißweinen erwarten sich die Experten einen interessanten Jahrgang. „Sie zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sehr fruchtintensiv sind“, erklärt der Bozner Kellermeister. Und sein Girlaner Pendant fügt hinzu: „Die Weißweine sind schön frisch und elegant, was für mehr Trinkfreude sorgt.“

Lagrein, Vernatsch, Blauburgunder & Co.
Bei den Rotweinen hebt Stephan Filippi vor allem den Lagrein hervor. Er freue sich auf „einen der ganz großen Jahrgänge“, so der Kellermeister, der dafür sehr reife Trauben verantwortlich macht. „Sie sorgen für feine, runde Tannine“, so Filippi. Ähnliches gelte für Cabernet und Merlot und auch der Blauburgunder entwickle sich gut. Das bestätigt auch Gerhard Kofler: „Der Blauburgunder des Jahrgangs 2023 fällt nicht ganz so kräftig aus wie jener im Vorjahr, er zeichnet sich aber durch sehr viel Frucht und Eleganz und ein bisschen weniger Alkohol aus.“

Für den Vernatsch – in Filippis Fall den St. Magdalener – erwarten sich die Experten ebenfalls einen sehr guten Jahrgang. Auch dazu habe der warme Herbst beigetragen. „Er hat die Beeren leicht eintrocknen lassen, dadurch werden sie kleiner und konzentrierter, der Wein bekommt mehr Frucht und Farbe“, so Filippi, der dieser Tage in der Kellerei Bozen die ersten St. Magdalener des Jahrgangs 2023 abgefüllt hat.

Gewinner und Geduldsproben
Bei den 2023er-Weißweinen stehe die Fruchtigkeit im Vordergrund, erklären die beiden Kellermeister. Gerade nach einem hitzebetonten und daher schwereren Jahrgang 2022 könnten sich die Konsumentinnen und Konsumenten wieder auf leichtere, frischere Weine freuen. So warte der Sauvignon mit einer etwas frischeren Stilistik auf, während sich der Weißburgunder sehr gut entwickle. „Für den Gewürztraminer war 2023 dagegen ein Jahr, in dem Geduld gefragt war“, erklärt Gerhard Kofler. Die Trauben hätten lange gebraucht, bis sie die richtige Reife erreicht hätten. Grundsätzlich falle der Gewürztraminer-Jahrgang etwas leichter aus, „wo aber die Anlagen und Erträge stimmen, wurden Trauben für fruchtige, elegante Weine geerntet“, so Kofler.

Der Jahrgang 2023 hat aber auch einen Gewinner. Oder anders: Er bestätige den Chardonnay als eine der interessantesten weißen Rebsorten in Südtirol, sind sich Filippi und Kofler einig. Der Chardonnay erweise sich, so Kofler, als widerstandsfähig gegen Wärme, halte die Säure in heißen Jahren besser und sei zudem kaum von Fäulnis betroffen, was wiederum dazu führe, dass man die Trauben selbst in einem feuchten Herbst lange hängen und damit voll ausreifen lassen könne.

Und das Fazit?
Obwohl das Jahr 2023 die Bauern vor keiner Herausforderung im Weinberg verschont hat, ist der Jahrgang ein großer. Das gilt vor allem für Sorten und Lagen, deren Reifetermin später im Herbst liegt. „Sehr tiefe, warme Lagen hatten im Vorjahr einen Nachteil, weil die Ernte – vor allem jene der weißen Sorten – in eine Zeit fiel, in der es zu warm und zu feucht war“, erklären die beiden Experten. In höheren Lagen hätten die Trauben dagegen von den darauffolgenden sonnigen und warmen Tagen sowie kühlen Nächten profitieren können. Das Jahr 2023 spiegle damit auch die Entwicklung im Zuge des Klimawandels wider.

„Alles in allem hat der Jahrgang 2023 sehr stilechte Weine hervorgebracht, die Trinkgenuss versprechen und auch langlebig sein können“, so Stephan Filippi. Für Gerhard Kofler könnte der 2023er gar nahe an die ganz großen Jahrgänge 2016 und 2019 herankommen. Und im Vergleich zum Vorjahr sagt er: „Der der Jahrgang 2023 ist eckig, kantig und deshalb spannend.“
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